PC's bei LADIL

5.03 Uhr: Auf den Parkplatz der Ladil-Filiale in Kleingerksheim
fährt Herbert Schmitt, Filialleiter der Sparkasse Kleingerksheim, mit
seinem grünen Opel vor. Schmitt trägt eine dicke, wattierte Jacke und
Moonboots. Um die Wartezeit bei Minustemperaturen angenehm zu
gestalten, hat er einen 0,3-l-Flachmann mit Cognac dabei, zusätzlich
noch eine Thermosflasche mit heißem Glühwein.
5.04 Uhr: Mit Entsetzen bemerkt Schmitt, dass vor der Ladentür bereits
ein Mensch liegt. Kein Obdachloser, sondern vielmehr der Konrektor
Elmar Gruner. Bartstoppeln und eine leere Thermoskanne neben dem
Schnarchenden weisen eindeutig auf eine längere Wartezeit hin.
5.22 Uhr: Zu Gruner, der inzwischen aufgewacht ist und lallend
Adventslieder singt, und Schmitt, der aus Frust, nicht der erste zu sein,
seinen Flachmann bereits geleert hat, gesellen sich Tierarzt und Hobby-
jäger Dieter Gaumüller, Hausfrau Gisela Wuttke und Fahrdienstleiter
Ernst Brunner. Alle haben Punsch oder Glühwein bei sich.
6.07 Uhr: Zu der Gruppe, die enthemmt „Stiehille Nacht“ krakeelt, stößt
der Student Hannes Schnapp. Er hat keine Getränke dabei, fummelt
aber angesichts der Wartenden in seiner Tasche und zieht eine
merkwürdig aussehende Zigarette hervor, die er anzündet und reihum
den anderen Wartenden anbietet.
6.35 Uhr: Gruner behauptet, dass bunte Papageien über der Gruppe
kreisen, und Gaumüller bemerkt entsetzt, dass er das Geld für den
Computer vergessen hat. Kartenzahlung ist bei LADIL nicht möglich.
In der Warteschlange stehen jetzt 43 Menschen. Das Kontigent an PCs
im Laden beträgt wohl zehn Stück. Gaumüller denkt an zu Hause, Frau
und Kind, an Nudelhölzer, weinende Kinder und Monate ohne ehelichen
Beischlaf. Fluchend torkelt er durch die Nacht.
6.55 Uhr: Zwischen Sparbankleiter Schmitt und Gruner entspinnt sich
ein Gespräch über überzogene Konten und gesprengte Kreditrahmen.
Mit den Worten „Du lässt mich jetzt vor, sonst klebt morgen der Kuckuck
an deiner Haustüre, du Sackgesicht“
versucht sich Schmitt an Gruner
vorbei zu schieben. Gruner will noch nach einem der Papageien greifen,
um damit auf Schmitt einzuschlagen, verfehlt aber und fällt seitlich zu
Boden. Die Schlange rückt auf.
7.18 Uhr: Gaumüller kommt wieder und fordert seinen Platz in der
Schlange zurück. Auf seinem Kopf eine Platzwunde. Als niemand
freiwillig eine Lücke bereitet, zieht Gaumüller eine Flinte aus seinem
Umhang. In der entstehenden Panik rückt Gaumüller auf Platz 3 vor.
7.43 Uhr: Vor der Filiale warten inzwischen 130 Menschen. Das
geflüsterte Geständnis von Gaumüller an Schnapp, dass seine Flinte
nicht einmal geladen sei, verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Mit Rufen
wie „Weißt Du, wo wir dir die Flinte gleich hinstecken?“ fällt der Mob
über den Tierarzt her. Als Gaumüller wieder erwacht, ist er mit
Schneeketten am Fahnenmast vor der Filiale angekettet.
8.12 Uhr: Der Countdown läuft. Immer noch hält Schmitt die Spitze.
Die Glastür in seinem Rücken droht unter dem Druck der Andrängenden
zu bersten. Hausfrau Wuttke täuscht schwere Erfrierungen vor, um
vorzeitig in den warmen Supermarkt gelassen zu werden. Hämisches
Gelächter allenthalben. Rentner Otto Heinrich bricht erschöpft
zusammen; „Verdammter Simulant“ tönt es von hinten.
8.30 Uhr: Die Türen öffnen sich. Mit Lichtgeschwindigkeit schiebt sich
die Schlange in den Markt. An Schmitt vorbei, der mit der Gürtelschlaufe
seines Mantels am Türgriff hängen bleibt und über Gruner hinweg, der
fast einen dieser bunten Papageien zu fassen bekommen hätte.
8.31 Uhr: An der Kasse stehen zehn künftige Besitzer eines
Superrechners. Dahinter spielen sich unbeschreibliche Szenen ab. Von
Weinkrämpfen geschüttelt, versucht ein Mann Brunner – von den
Kämpfen schwer gezeichnet – den Rechner aus der Hand zu reißen.
„Für meine Kinder. Bitte!“ Brunner erkennt seinen Nachbarn, einen
überzeugten Junggesellen, und weist das Ansinnen empört zurück.
8.35 Uhr: Wer keinen Rechner bekommen hat, versucht, wenigstens
etwas anderes zu ergattern: Scanner, Radiowecker, Deckenleuchten,
Kindercola, Kartoffeln. Alles ist weg. Nächste Woche gibt es 35-Zoll-TFTs.
Zum Hammerpreis.

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